Forderungen der Nonnenstieg-Bürgerinitiative

- Ästhetik -

Zusammen mit dem Themenkomplex "Baumschutz/Erhalt von Grünstrukturen" haben wir im Mai 2013 die Ästhetik in der Architektur als den Bereich ermittelt, der für uns die höchste Priorität hat.
Für die Testentwürfe selbst steht dieser Themenkomplex nicht im Vordergrund, aber spielt dennoch in die Thematik hier hinein. Im Bebauungsplan können solche Gesichtspunkte zwar nur schwer integriert werden, aber auf der anderen Seite ist klar, dass es vor allem bei der Höhe der Baukörper einen gravierenden und entscheidenden Unterschied ausmachen kann, wie vor allem die Fassaden der Gebäude aussehen.

Normalerweise wird diese Problematik bei einem Bauprojekt dieser Größenordnung dadurch gelöst, dass sich die Beteiligten an einen Tisch setzen und sich informell über eine Bebauung einigen.


Position der Stadtverwaltung

Stadtverwaltung
Göttingen

In der Vorlage der Verwaltung (Papier zu den Rahmenbedingungen, beschlossen im Bauausschuss am 23.5.2013) sind keinerlei Gedanken bezüglich der Ästhetik der Architektur enthalten. Auch vorher war dies nie ein Thema.

Die Naturschutzbeautragte Frau Walbrun brachte im Bauausschuss am 7.2.2013 in einer Diskussion um die geplante Bebauung der Wohnungsgenossenschaft in der Tecklenburgstraße Dachbegrünung als eine Option ins Spiel. Sie wurde dafür fast ausgelacht. Seitens der Stadtverwaltung gab es hierzu keinerlei Reaktion.


Position der Nonnenstieg-Bürgerinitiative

Nonnenstieg-
Bürgerinitiative

Am 14.5.2013 haben wir intern ermittelt, dass das Thema Ästhetik der Architektur bei uns neben dem Baumschutz oberste Priorität haben soll. Vorläufig wurde unsere Position damit in Worte gefasst, die Architektur sollte abwechslungsreich sein, ästhetisch ansprechend und an die Umgebung angepasst.

Am 17.6.2013 haben wir eine Abstimmung über die Höhe der Bebauung durchgeführt, welche im Detail erkennen lässt, in welcher Region im Baufeld welche Gebäudehöhen ideal wären und wo die maximalen Schmerzgrenzen liegen. Deutlich ist zu erkennen, dass unmittelbar an der Straße die Bebauung nicht höher als 1-2 Stockwerke sein sollte, im Inneren des Hauptbaufelds wurden dagegen 3-4 Stockwerke als erträglich ermittelt.

Auf unserem Flugblatt zur Bürgerversammlung am 24.6.2013 haben wir diese Forderungen so formuliert:

Geschosswohnungsbau kann sinnvoll sein - aber nur in einer für das Auge ansprechenden, attraktiven Umsetzung. Kein konventioneller Einheitsbaustil!
Ästhetische Gesichtspunkte in der Architektur dürfen nicht weiter übergangen werden. Das jahrzehntelang geltende Credo "Schönheit ist Geschmacksache - hier wird so gebaut, wie die Investoren das wollen" muss endlich durchbrochen werden. Sonst geht die Akzeptanz gegen null.
Ohne diese wichtige Voraussetzung dürfen die neuen Häuser am Nonnenstieg nicht mehr als drei Stockwerke haben. In der Verwaltungssprache: "1 Geschoss + Dachgeschoss + Sockelgeschoss"! Höhere Bebauung nur dann, wenn dies in einer stilvollen und abwechslungsreichen Form realisiert wird! Zurückhaltend und an die umgebende Natur angepasst.

Da es kaum möglich ist, diese Aspekte im Bebauungsplan festzuschreiben, fordern wir, einen Bebauungsplan nur dann zu verabschieden, wenn die architektonische Lösung (einschließlich der Außenfassaden!) vorher an einem Runden Tisch im Detail ausgestaltet wurde - gemeinsam mit all denen, die sich konstruktiv am Gelingen dieses Bauprojektes beteiligen möchten: Stadtverwaltung, Politik (Parteien, Bürgerinitiativen), Investoren, Architekturbüros, Immobilienvermittlung.
Wir fordern in der jetzigen Situation ausdrücklich keinen erneuten kostspieligen städtebaulichen Wettbewerb, sondern eine gemeinsame Entwicklung eines einzigen Architekturvorschlags.

Die Individualität und Vielfalt unseres Landes muss sich in der Nonnenstieg-Vorzugsvariante widerspiegeln.
Unseren Städten muss wieder ein Gesicht gegeben werden. Sonst sehen bald alle Städte gleich aus.

Diese Forderungen sind auch in Göttingen viel zu lange vernachlässigt worden. Inzwischen stehen sie ganz oben.


Am 4.7.2013 haben wir in Vorbereitung für den Workshop am 19.8.2013 die Forderung so formuliert:
Keine einförmige, klotzartige Bebauung, sondern Berücksichtigung ästhetischer Gestaltungsmerkmale.

Am 17.7.2013 haben wir schließlich die Aussagen zur Höhe der Bebauung noch einmal konkretisiert:
Die Höhe soll maximal 12,50 m betragen, die detaillierte Höhe der Gebäude soll sich an der abgestimmten Karte nach der Lage im Baufeld orientieren.
In Bezug auf die Bauästhetik haben wir unsere Forderung noch einmal in dieser Formulierung bekräftigt:
Es wird ein kreativer Ansatz befürwortet, innovativ soll etwas anderes ungesetzt werden als der übliche konventionelle Baustil.

Positionen der Parteien im Stadtrat


SPD

Am 16.1.2013 vertritt Oberbürgermeister Meyer (SPD) in einer SPD-Fraktionssitzung, zu der eine Delegation der Bürgerinitiative eingeladen ist, die Auffassung, Schönheit sei Geschmacksache und eine Verwaltung solle einem Investor in diesem Bereich keine Vorschriften machen.

Auf der Bürgerversammlung am 24.6.2013 bittet Frau Behbehani (SPD) die Verwaltung darum, die dort geäußerten Bedenken der Bürger bezüglich der beiden Testentwürfe des Kassler Planungsbüros Bankert, Linker & Hupfeld ernst zu nehmen und keine Bebauung zu dicht an der Straße zuzulassen.

Bauausschuss 07.11.2013: Im vorgeschlagenen Bebauungsplan, dem die SPD zustimmt, dürfen bis zu 7 Stockwerke hohe Häuser in 10 m Entfernung von der Fahrbahn gebaut werden. In der verworfenen Untertrifaller-Planung waren es niedrigere Häuser und 8 m Entfernung gewesen.
Auf die Anregung von Herrn Rieth (Piratenpartei), den sogenannten "Hundertwasserentwurf" der Nonnenstieg-Bürgerinitiative ergebnisoffen zu diskutieren, antwortet Herr Arndt (SPD), der Vorschlag werde von seiner Fraktion deswegen abgelehnt, weil ein Hundertwasserhaus nicht seinem persönlichen Geschmack entspreche und zusätzliche Tourismus-Ströme nach Göttingen locken würde, die die Stadt verkehrstechnisch nicht verkraften würde.

Bauausschuss 05.12.2013: Die Gestaltungsvereinbarung, der die SPD zustimmt, enthält einen Passus, wonach mindestens drei unterschiedliche Bautypologien realisiert werden müssen. Dies bedeutet, bis zu fünf Häuser direkt an der Straße können im selben Baustil und abgesehen von der Höhe auch baugleich sein.


Grüne

Bauausschuss am 7.2.2013: Die Fraktion der Grünen bringt einen Antrag ein, in dem gefordert wird, die neuen Gebäude sollen "variantenreich und stilvoll" gestaltet werden, "zur Vermeidung von Monotonie durch pure Wiederholung.

Am 4.4.2013 bringt die Stadtratfraktion der Grünen ein Positionspapier "Unsere Ziele der Bauleitplanung Nonnenstieg" heraus. Ein ganzes Kapitel befasst sich mit architektonischen Qualitätsmerkmalen:
• Die Gebäudehöhe und -maße sowie die bebaute Fläche sollen sich der Topographie und der nachbarschaftlichen Umgebung anpassen, ohne auf den Geschosswohnungsbau als Hauptakzent zu verzichten.
• Die Gebäude sollten variantenreich und so stilvoll gestaltet werden, dass ihre Qualität als städtebaulicher Akzent und als ästhetische Bereicherung wahrgenommen werden, was eine Monotonie durch pure Wiederholung von Baukörpern ausschließt.
• Die offensichtliche Attraktivität des Ensembles soll dazu beitragen, dass durch die absehbare Nachfrage die Bau- und Bezugszeit, und damit auch die Belastung für die Nachbarschaft, auf 4 Jahre eingrenzbar sein sollte.
• Eine Dachbegrünung ist -auch als Bestandteil des gebotenen Ausgleiches- wünschenswert.


Bauausschuss am 23.5.2013: Herr Holefleisch (Grüne) merkt an, dass die Geschossflächenzahl für die Grünen zweitrangig wäre, als ideologische Vorgabe berge die GFZ eine Gefahr. Wichtiger sei, dass sich die Gebäude in die Umgebung einfügten. Er sagt, die Testentwürfe "werden" variantenreich sein.

Bauausschuss am 07.11.2013: Im vorgeschlagenen Bebauungsplan, dem die Grünen zustimmen, werden bis zu siebenstöckige Häuser direkt an der Straßenfront erlaubt. Von einer Einfügung in die Umgebung kann spätestens am diesem Planungsstadium keine Rede mehr sein.

Bauausschuss am 05.12.2013: Die Grünen stimmen einem Gestaltungsvertrag zu, der vorschreibt, es müssen "mindestens drei" unterschiedliche Baukörper errichtet werden. Dies bedeutet, alle vier Häuser an der Straßenfront des Hauptbaufeldes können wie bei der Untertrifaller-Planung baugleich sein, ebenso die geplanten Häuser im hinteren Teil des Hauptbaufelds. Eine pure Wiederholung von Baukörpern wird in genau dem Ausmaß erlaubt, wie es sich aus der Bebauungsplanung unter Berücksichtigung der Verschattungsfaktoren (die bei Untertrifaller 2012 vergessen wurden) ganz normal ergibt. Bei Untertrifaller waren 2012 zwei Baukörperformen geplant, in den drei deutschen Entwürfen des Wettbewerbs drei.
Außerdem enthält der Gestaltungsvertrag ein nicht bindende (also vertraglich belanglose) Kann-Bestimmung: "Auf den Dächern der Gebäude sollen soweit technisch und wirtschaftlich sinnvoll Maßnahmen der Dachbegrünung (...) installiert werden".

Auslegungsphase 16.12.2013-24.01.2014: Ratsmitglied Mehmet Tugcu (Grüne) regt in einer Eingabe an, einen Bouleplatz auf dem Gelände einzurichten.


CDU

Bauausschuss am 7.2.2013: Herr Güntzler (CDU) gibt zu Protokoll, die Bebauung solle sich "in die Umgebung einpassen".

Die CDU stimmte bislang allen Vorlagen der Verwaltung zu, sowohl in Bezug auf den Bebauungsplan als auf den Gestaltungsvertrag.

Am 20.5.2014 und 5.6.2014 bezeichnet Herr Rudolph (parteilos, Oberbürgermeister-Kandidat für die CDU) in Gesprächen mit der Nonnenstieg-Bürgerinitiative die geplante Bebauung als nicht in die Umgebung eingepasst. Sie sei zu massiv geplant, die Gebäude zu hoch. Die Entfernung der teils siebenstöckigen Fassaden von der Straße passe sich nicht ein, selbst das achtstöckige Gebäude etwas weiter oben am Nonnenstieg stehe entsprechend weit von der Straße weg. Herr Rudolph äußert kein Verständnis für die aktuelle Planung, die die Fraktion der CDU bislang zugestimmt hatte.


Die Linke

Bauausschuss am 23.5.2013: Herr Nier (Die Linke) spricht sich dafür aus, neben einem externen Planungsbüro sollen auch unabhängige Personen Testentwürfe einbringen dürfen. Er führt an, dass die Nonnenstieg-Bürgerinitiative unter anderem noch zum Thema Ästhetik Vorschläge ausarbeiten wolle und dafür um noch ein wenig Zeit bitten würde, und beantragt aus diesem Grund eine Vertagung der Debatte (dieser Antrag wurde von allen anderen abgelehnt).

Bauausschuss am 07.11.2013: Herr Nier (Die Linke) bemängelt, dass auf die Interessen der Anwohner zu wenig Rücksicht genommen wird und dass die Planung zu massiv sei. Er stimmt gegen die Auslegung des Bebauungsplans in der vorgelegten Form.

Bauausschuss am 05.12.2013: Herr Nier (Die Linke) stimmt gegen die Gestaltungsvereinbarung, in der sich der Investor zu praktisch keinerlei Festlegungen bezüglich des Baustils verpflichtet.


Piratenpartei

Auslegungsphase 16.12.2013-24.01.2014: Mehrere Mitglieder des Vorstandes der Piratenpartei und Oberbürgermeister-Kandidatin Katharina Simon regen in einer Eingabe an, Bauentwürfe für Projekte in dieser Größenordnung künftig öffentlich benoten zu lassen und ausreichende Akzeptanzwerte als Voraussetzung für Baugenehmigungen festzuschreiben. Bei öffentlichen Benotungen, die im Bereich der für das Iduna-Zentrum oder für den Baukomplex Groner Landstraße 9 ermittelten Werte liegen, müsste die Baugenehmigung verweigert werden.

Bauausschuss am 07.11.2013: Herr Rieth (Piratenpartei) bittet darum, den sogenannten "Hundertwasserentwurf" der Nonnenstieg-Bürgerinitiative ergebnisoffen zu diskutieren, da er städtebaulich eine verträglichere Lösung darstellen würde als der von der Verwaltung vorgelegte Planungsvorschlag. Dies wird von Herrn Arndt (SPD) abgelehnt.
Die Piratenpartei hat im Bauausschuss kein Stimmrecht.

Im Oberbürgermeister-Wahlkampf im Mai 2014 wirbt die Kandidatin der Piratenpartei Frau Simon im gesamten nördlichen Ostviertel mit einem Wahlplakat, auf dem die geplanten Gebäude auf dem IWF-Gelände abgebildet werden, versehen mit folgenden Forderungen: "Keine Stimme für Bausünden", "Bäume müssen bleiben", "Mitentscheidung beim Baustil" und "Wir haben ein Recht zu erfahren, was in den Verträgen steht".


FDP

Bislang keine Aussagen zu diesem Thema. Die FDP stimmte bislang allen Vorlagen der Verwaltung zu, sowohl in Bezug auf den Bebauungsplan als auf den Gestaltungsvertrag.



Foto: Malin Przygodda


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§ 55 RStV): Francisco Welter-Schultes, Am Pfingstanger 53, 37075 Göttingen