Nonnenstieg-Bürgerinitiative:

Ortsbegehung zur Überprüfung der Biotopkartierung der Stadtverwaltung

(18.6.2013)

In der Bauausschuss-Sitzung am 23.5.2013 wurde als Anlage zu den Rahmenbedingungen zur Bebauung des IWF-Grundstücks eine Biotopkarte veröffentlicht. Diese war schwer zu lesen und wir haben eine gefärbte Version davon erstellt.

Uns fiel sofort auf, dass sich in diese Karte einige Widersprüche zu unseren eigenen Kartierungen und zu den Satellitenaufnahmen eingeschlichen hatten. Daher hatten wir diese Karte in der Bauausschuss-Sitzung am 23.5.2013 kritisiert und darum gebeten, dass wir einige Flächen gemeinsam mit der Verwaltung im Rahmen einer Ortsbegehung gerne überprüfen würden.

Dies wurde uns ermöglicht.

Die Ortsbegehung fand am 18.6.2013 statt. Neben der Überprüfung von Biotopflächen wurde auch erläutert, wie die Karte zustandekam, dass sie im Januar 2012 ausgearbeitet worden war, und welche Bedeutung der aktuelle Stand der Kartierung aus Sicht der Verwaltung für das Planungsverfahren hat.

Dabei ging es weniger um die Bewertung der Biotopflächen (welche Flächen sollten als schützenswert gelten und welche nicht?), sondern vor allem um eine korrekte Erfassung des Baumbestandes und der Biotopstrukturen.

Herr Kriege (Daber & Kriege GmbH, Bovenden) erläuterte zu Beginn, dass seine Firma die Biotopkarte Anfang 2012 erstellte und die Karte seitdem nicht mehr verändert worden war. Es sei nicht Aufgabe der Kartierung gewesen, jeden einzelnen Baum zu erfassen. Kartiert worden sei nach einem Standard, der für § 34-Verfahren angewandt werde. Dabei sei es nicht nötig, jeden einzelnen Baum zu erfassen, was folglich auch nicht getan worden sei.

Herr Lepper erklärte uns, dass die endgültige Biotopkarte in einem solchen Verfahren üblicherweise erst ganz am Ende dem Bebauungsplan beigelegt werde. Daher könne diese im momentanen Standpunkt noch Fehler enthalten. Er bat das zu entschuldigen.

Wir äußerten Verständnis für die relativ bedeutungslosen Fehler, entgegneten aber, dass wir schon erwartet hatten, dass die Kartierung in den Grundlinien auch jetzt schon halbwegs solide sein sollte. Denn die politischen Entscheidungsträger und auch wir sollten nur auf der Grundlage solider Fakten Vorgaben formulieren, die beispielsweise in den auszuarbeitenden Testentwürfen eine Rolle spielen würden.
Wie wichtig die Erfassung des Baumbestandes sei, spiegelte auch die Aussage von Bürgermeister Ulrich Holefleisch in der Bauausschuss-Sitzung vom 23.5.2013 wider, wonach seine Fraktion dafür plädierte, alle Bäume zu schützen. Solch eine dezidiert formulierte Zielsetzung benötigt das Fachwissen, welche Bäume überhaupt auf dem Grundstück stehen.

Wir wiesen auch Herrn Lepper und Herrn Briehle darauf hin, dass es aus unserer Sicht für den Entscheidungsprozess günstig wäre, wenn gut ausgearbeitete, zuverlässige und überprüfbare Datengundlagen schon in einem relativ frühen Stadium der Planung der Öffentlichkeit und den Entscheidungsträgern in der Stadtpolitik zur Verfügung stehen würden.

Bezüglich der Baumerfassung sei nach Herrn Krieges Darstellung die vom Büro durchgeführte Biotoperfassung für den Schutz der Natur noch wertvoller als die Erfassung der einzelnen Bäume. Die Biotopmarkierung "WXH" gewährleiste den bestmöglichen Schutz. Eine Einzelerfassung würde sich daher erübrigen.

Im Rahmen der politischen Entscheidungsfindung wird auch in der näheren Zukunft viel von den schützenswerten Baumbeständen und Biotopflächen die Rede sein. Diskussionsbasis sollten dabei solide Fakten sein.

Die von der Verwaltung benutzte Datengrundlage würde sich hierfür anbieten, aus zwei Gründen:

1. spart es Resourcen, wenn Politik und Öffentlichkeit nicht eigene Datengrundlagen erheben müssten, die mit denen der Verwaltung erst ganz am Ende des Planungsverfahrens verglichen werden.

2. lief es bislang so, dass im Stadtrat die Vorlagen der Verwaltung Grundlage der Entscheidungen waren. Der Stadtrat stimmt in der Regel das ab, was die Verwaltung vorschlägt, und benutzt dazu die Datengrundlagen der Verwaltung. Es wäre vielleicht kontraproduktiv, wenn die Öffentlichkeit Druck auf die Stadtpolitik ausüben würde, diese Datengrundlagen nicht zu nehmen, und stattdessen eigene Datengrundlagen zu benutzen. Die Verwaltung würde sich dann in einer Art Konkurrenzsituation befinden.

Dasselbe gilt auch für die Vogel- und Fledermauskartierung. Auch hier würden wir der Verwaltung gerne Mut machen, die Öffentlichkeit nicht zu scheuen und die erhobenen Datengrundlagen frühzeitiger als aktuell geplant zu veröffentlichen. Das würde das Verfahren einfach auch beschleunigen.

Wir schätzen, dass Bauplanung in Zukunft noch viel mehr solche Elemente frühzeitiger Bürgerbeteiligung beinhalten wird.


Biotopkarte der Verwaltung, rechts das Original (Daber & Kriege GmbH Bovenden).
Links unsere gefärbte Darstellung derselben Karte. Die Orte mit den Fragezeichen wurden besucht.




Vorbesprechung zum Ortstermin vor dem IWF-Haupteingang. Herr Lepper und Herr Briehle vom Bauamt im Gespräch mit der Naturschutzbeauftragten der Stadt, Britta Walbrun. Eingeladen waren neben Vertretern der Bürgerinitiativen auch Liquidator Herr Scherer, der Rechtsanwalt des Liquidators Herr Böck, die Leiterin der Abteilung für Baumschutz im Fachdienst Umwelt, Frau Tippach-Kemmling (vorne neben der Säule) sowie neben ihr Herr Kriege (Daber & Kriege GmbH, Freiraum und Landschaft, Bovenden).



Zunächst ging es zum Parkplatz im nordöstlichen Bereich des Hauptbaufeldes. Die Orientierung in den Karten war nicht immer einfach.
Links im Bild die etwa 1,50 m hohe Mauer, die schräg gegen die Böschung steht. Ein Hinweis auf den Druck, den der darüber liegende dicht bewaldete Hang ausübt. Ganz rechts Frau Walbrun, die aus dieser Situation die Schlussfolgerung zog, dass diese Mauer als Hangsicherung gleichzeitig eine natürliche Grenze zwischen Wald und Baufeld bildete.

An der Mauer entlang auf die Südostseite des Hauptbaufeldes.

Auch hier auf der Südostseite steht die Mauer leicht schräg gegen die steile Böschung und ist 1,50 m hoch.

Die Birken im hinteren Teil des Baufelds sind etwa 20 m hoch. Besonders die am Hang hinter der Mauer stehenden Birken sollten erhalten werden.

Auch hinter dem großen flachen Gebäude des IWF im südlichen Teil des Baufelds verläuft die baufeldbegrenzende Mauer weiter.

Der große Walnussbaum im Süden hat 177 cm Stammumfang. Maßbandlänge 150 cm. Die Walnuss ernährt Eichhörnchen.

Das große flache Gebäude des IWF von Süden fotografiert.

Wieder zurück denselben Weg, vorbei an einem dichten Wald, der hier von hohen Nadelbäumen dominiert wird. Der Wald ist so dicht, dass es nicht möglich ist, von hier direkt zu den Direktorenvillen im Norden des Grundstücks zu gelangen.

Herr Lepper führt im Norden auf dem Stichweg zur Straße zu den beiden Direktorenvillen.

Die nördliche, kleinere der beiden Direktorenvillen. Sie ist schon lange verfallen.

Das südliche Haus diente noch 2012 als Kinderhort und wurde gepflegt. In der Nordansicht 2 Stockwerke. Fotomontage aus 2 Bildern.

Im Gebiet zwischen den beiden Villen beginnt ein undurchdringlicher Wald. Links eine bislang völlig unbekannte und nirgends kartierte Wildkirsche, Stammumfang nicht weniger als 184 cm.

Wie vorher vermutet fanden sich in diesem Gebiet Laubbäume, die niemand bis jetzt je erfasst hatte. Das wahre Ausmaß dieses Naturreichtums übertraf jedoch alle unsere Vorstellungen. Selbst diese im Vergleich zu den Nachbarbäumen klein wirkende Hainbuche, die wie die Bäume daneben weder von außen noch aus den Satellitenbildern zu erkennen ist, hat über 100 cm Stammumfang.

Und noch mehr Bäume an Stellen, wo es niemand vermutet hatte. Auch diese Hainbuche und zwei Birken im Gebiet zwischen den beiden Villen fallen unter die Baumschutzsatzung. Vor lauter Bäumen ist der Wald kaum zu sehen. Es ist weder zu erkennen, wo die Stämme unten wurzeln, noch wie hoch die einzelnen Bäume sind. Dass überhaupt Bäume dort wachsen, kann man nur deswegen sehen, weil ein Teil der Stämme im Zwischenstockwerk erkennbar ist.

Letztes Bild: dies ist die Wiese westlich der nördlichen, verfallenen Direktorenvilla. Die Wiese ist lange nicht mehr so groß wie in den Karten angegeben, mehr als die Hälfte der Fläche ist bereits von dichtem Wald bewachsen. Auch der Begriff "Artenarmer Scherrasen" aus der Legende ("Gra") will nicht wirklich passen. Was wir hier vorfinden, ist nichts anderes als eine Waldlichtung.

Zusammenfassung und Ausblick

Auf die Bitte von Herrn Kriege (Daber & Kriege GmbH, Freiraum und Landschaft, Bovenden) haben wir am 18.6.2013 die einzelnen Beispiele wieder heruntergenommen, die wir in der Biotopkarte als mögliche Fehler markiert hatten.
Es hat sich herausgestellt, dass es zwar tatsächlich Ungenauigkeiten waren, dass diese aber nachvollziehbar erläutert werden konnten.
Wir sind zuversichtlich, dass die am Ende im Bebauungsplan benutzte Karte keine groben Fehler mehr enthalten wird.

Angesichts der erfreulich eindeutigen Aussagen der politischen Parteien zu diesem Themenkomplex, vor allem der
SPD (
Stellungnahme des SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Peter Arndt vom 27.6.2013), der
Grünen (Aussage von Bürgermeister Ulrich Holefleisch in der Bauausschuss-Sitzung vom 23.5.2013) und der
Linkspartei ( Aussage von Linkspartei-Bauausschussmitglied Gerd Nier in der Sitzung vom 23.5.2013),
sind wir ebenfalls zuversichtlich, dass das kompakte Waldgebiet auf diesem Grundstück vor der Motorsäge und den Baggern bewahrt und den in Göttingen wohnenden Menschen für die Zukunft erhalten werden kann.

Die wichtigsten Resultate dieser Ortsbegehung noch einmal zusammengefasst:

- Es gibt noch viel mehr Bäume auf dem Grundstück als die, die kartiert wurden.

- Es war nicht Ziel bzw. Aufgabe dieser Kartierung, alle Bäume zu erfassen.

- Auch in den nicht als "besonders schützenswert" (rot schraffiert) eingetragenen WXH-Flächen im Kernbereich des Grundstücks stehen große Bäume, von denen wir bislang auch selber nichts geahnt hatten.

- Im Südosten wird das, was wir als das Hauptbaufeld bezeichnen, von einer etwa 1,50 m hohen Mauer zum Hang hin abgegrenzt. Von der Straße und vom Satelliten aus ist diese Mauer kaum zu sehen.

- Diese Mauer soll als natürliche Abgrenzung des Baufelds dienen. Damit kann effektiv sichergestellt werden, dass keine Baufahrzeuge versehentlich in das Waldgebiet hineinfahren und dort Bäume oder ihre Wurzeln versehentlich beschädigen. Eine 1,50 m hohe Mauer überwinden und danach den steilen Hang hochfahren kann wahrscheinlich nur ein Panzer.

- Wir haben daraufhin unsere vorgeschlagene Baufeldbegrenzungskarte aktualisiert. Die Ostgrenzen sind jetzt mit dieser Mauer identisch. Das Hauptbaufeld betrug vorher 8000 qm, jetzt sind es etwa 8350 qm.


Vorschlag der Nonnenstieg-Bürgerinitiative für eine Baufeldbegrenzung, in der nach der Ortsbegehung vom 18.6.2013 aktualisierten Version.
Die als rote Linie eingezeichnete Mauer im Osten des Hauptbaufelds bildet dessen natürliche Begrenzung.
Die hier eingezeichneten Bäume entsprechen unserem Kenntnisstand vom Winter, die tatsächliche Zahl der Bäume ist deutlich höher. Es gibt im Bereich der beiden nördlichen Häuser noch viel mehr satzungsrelevante Bäume als hier verzeichnet.

Vorschlag der Nonnenstieg-Bürgerinitiative zur Kartierung der Grenzen (blaue Linie) des als WXH gekennzeichneten Gebietes ("Laubforst aus einheimischen Arten", Drachenfels 2011: Seite 87), in einer nach der Ortsbegehung vom 18.6.2013 geänderten Form.
Die grüne Linie umfährt die große Buche, des mit 256 cm Stammumfang in 1 m Höhe imposantesten Baumes auf dem Grundstück, welcher am Rand des Laubwaldes wächst.
Die innerhalb der blauen Linie liegende WXH-Fläche beträgt etwa 9930 qm.

Foto: Malin Przygodda


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